Föderalismus - Hintergrund

Kommission »Gleichwertige Lebensverhältnisse«

Jens Bullerjahn

Berater für Wirtschaft und Finanzen

Das Erreichen gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland ist aber nicht zu erwarten, nicht mit noch so viel staatlicher Unterstützung. Dafür sind die realen und auch die gefühlten Unterschiede in den Regionen Deutschlands zu groß. Wer Gegenteiliges proklamiert, erzeugt Enttäuschungen und erleichtert Populisten ungewollt das politische Leben.

Das komplette Interview finden Sie im Buch ab Seite 288.

 

Die Diskussionen über die Weiterentwicklung des Bundesstaates fanden seit Beginn der Bundesrepublik stets im Spannungsfeld von Schaffung »gleichwertiger Lebensbedingungen« (bis 1994: »Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse«) einerseits und föderalem Wett­bewerb andererseits statt. Der Begriff »Gleichwertigkeit« entzieht sich einer exakten Definition. Gemeint ist damit nicht Gleichheit, aber eine Begrenzung der Unterschiedlichkeit.
Nachdem der Finanzausgleich ab 2020 neu geregelt war, wurde am 18. Juli 2018 durch Kabinettsbeschluss der Bundesregierung die Kommission »Gleichwertige Lebensverhältnisse« eingesetzt. Damit wurde eingeräumt, dass die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht dem Spiel der freien Kräfte überlassen werden kann, sondern eine Aufgabe politischer Gestaltung ist. Den Vorsitz der Kommission übernahm der Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, als Co-Vorsitzende fungierten die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, und die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Franziska Giffey. Neben diesen Ressorts waren weiter Bundesministerien, Beauftragte des Bundes, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände in der Kommission vertreten. In sechs Arbeitsgruppen wurden Vorschläge für (1) Kommunale Altschulden, (2) Wirtschaft und Innovation, (3) Raumordnung und Statistik, (4) Technische Infrastruktur, (5) Soziale Daseinsvorsorge und Arbeit sowie (6) Teilhabe und Zusammenhalt der Gesellschaft erarbeitet. Am 10. Juli 2019 hat das Bundeskabinett die Ergebnisse der Kommission zur Kenntnis genommen und daraus unter dem Titel »Unser Plan für Deutschland – Gleichwertige Lebensverhältnisse überall« Handlungsoptionen für zentrale Probleme des Bundesstaates entwickelt.

Der Begriff der öffentlichen Daseinsvorsorge bezeichnet Tätigkeiten des Staates, welche einer grundlegenden Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen dienen. Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch von Leistungen zur »Existenzsicherung« oder zur »zivilisatorischen Grundversorgung« gesprochen. Als klassische Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge gelten dabei Aufgaben wie die Abfallbeseitigung,
die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom sowie der Betrieb des öffentlichen
Personennahverkehrs.

Die Beantwortung der Frage, welche Güter und Dienstleistungen allerdings konkret von staatlicher Seite aus bereitgestellt werden müssen, ist durchaus umstritten und
unterliegt – wie damit auch die Definition des Begriffes »öffentliche Daseinsvorsorge« selbst – dem gesellschaftlichen Wandel.

 

Das historisch gewachsene, in Deutschland auf die 30er Jahre zurückgehende, Verständnis einer umfassenden öffentlichen Daseinsvorsorge mit den daraus entstandenen öffentlich-rechtlichen Anbieterstrukturen wird insbesondere seit den 1990er Jahren durch die Liberalisierungs- und Deregulierungsbestrebungen, das grenzüberschreitende Wettbewerbsverständnis der EU sowie durch die klammen Kassen der Kommunen kritisch hinterfragt. Auch der demografische Wandel sowie das Problem des Bevölkerungsschwundes in vielen ländlichen Regionen verschärfen die Diskussion um die Frage, welche öffentlichen Dienstleistungen von kommunaler Hand angeboten werden sollten und welche Leistungen beispielsweise von Privatunternehmen übernommen werden können.

Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH

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